Mittwoch, 10. Februar 2010

Indian Standard Time

Dass eine halbe Stunde durchaus eine gefühlte ganze oder gar noch mehr sein kann, diese Erfahrung denke ich mit der Allgemeinheit zu teilen. Je nachdem wie angenehm einem die Situation, deren Beteiligte sowie der zugrundeliegende Handlungsstrang vorkommen, vergeht die Zeit wie im Flug oder quälend langsam. Da ich durch Leben des Kapitels Tummy Upset viel körpereigene Flüssigkeit verloren habe, ist mein Anliegen bei Anruf eines Mitbewohners in erster Linie Wasser. Dieses ist nämlich gerade im richtigen Moment in den eigenen vier Wänden ausgegangen und ich beginne zu dehydrieren. Ich bin alleine zuhause und meine Ortskenntnisse reichen leider noch nicht bis zu einem Supermarkt, dem ich sauberes Wasser im wahrsten Sinne des Wortes abkaufen würde. Bei den meisten kleinen Straßenläden sollte es mich nicht wundern, schlichtweg immer und immer wieder abgeratenes Leitungswasser in den Flaschen vorzufinden.

Ich erkläre also meinem Mitbewohner über Telefon meine Situation, äußerst unangenehm, so detailliert wie möglich, um dessen Helfertrieb zielgenau anzusteuern und zu triggern. Dieser ist, wie er mir erzählt, gerade noch im Facebook, wird mir aber so schnell wie auch nur irgendwie möglich entgegeneilen und spätestens bis in einer halben Stunde mit so viel Wasser vor der Tür stehen, dass ich darin baden könnte. Puh, Glück gehabt. Ich schaue also genau auf die Uhr und gebe mich ihrem Ticken hin. 5 Minuten. 10 Minuten. 15. 20. 30. So langsam müsste er doch kommen. Nichts. Mein Handy: stumm. Ich: Verlust von Kontrolle über Körper und Geist. Halluzinationen. In meinen Gedanken trinke ich den Uhrzeiger, der mich zumindest mit ausreichend verfließender Zeit beschert. Der Health-Balken meines zu lang gespielten Videospiels sinkt bis in den roten Bereich und der Charakter, den ich spiele, hat nicht mal mehr ein Medi-Pack übrig. Die Affen kommen und nagen an mir.

Ganze dreieinhalb Stunden später, also ganze drei Stunden zu spät, öffnet sich die Tür. Mein Mitbewohner kommt entspannt und aufgetankt mit den neuesten Updates seiner Freunde nach Hause und kann gerade noch die Affen vertreiben, die bereits sämtliches Verwertbares von mir abgeknabbert haben. Immerhin hat er Wasser dabei, Wasser welches ich mir postwendend die Flasche senkrecht haltend in den Rachen stürze (Anmerkung des Erzählers: der Flaschenhals zeigt dabei zu mir). Während ich das Bewusstsein wieder erlange, weise ich meinen Mitbewohner auf das Delta-T zwischen meinem Anruf und seiner Ankunft hin. Seine Begründung bezieht sich auf die Zeitverschiebung, Indiens interner Zeitverschiebung; kurz "IST", oder ausgeschrieben: "Indian Stretchable Time".

1 Kommentar:

  1. Oh, my so it was real after all when Leo Di Caprio went nuts in the Beach. I hope you do better. By the way I can send you a "Zäpfchen", since we just had a similar conversation with Tim the other day, before we went into the White Trash.

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