Mittwoch, 3. Februar 2010

Transportation Service

Zum Glück ist man als mobil Bedürftiger nicht ausschließlich auf Rikschas angewiesen. Es steht jedem frei, sich mittels von der Regierung betriebenen Bussen fortzubewegen. Leider muss man sich für diesen Fall aber auch einer gehörigen Portion Lokalpatriotismus unterwerfen, da das Ziel der jeweiligen Busse ausschließlich in der hiesigen Traditionssprache Kannada mit unkenntlichem Skript angedeutet ist. Immerhin gibt es aber eine normalsterblich entzifferbare Nummer, die die Routencharakteristik zumindest teilweise identifiziert. Ich habe schon Busse mit vielen verschiedenen Nummern gesehen, 295, 296, 297, 298, 299 und 300 seien beispielhaft erwähnt. Mich würde nicht wundern, wenn das uns bekannte Delta von Normalnull (Anmerkung des Erzählers: große Nummern lassen Busse auch generell größer und geräumiger wirken) hier nicht notwendig ist, da man bereits von vornherein mit fortlaufenden Nummern bis zu den großen Zahlen vordringen könnte. 300D, 300E und 300F sind übrigens auch schon an mir vorbeigedüst. Wenn man die Endhaltestelle unnatürlicherweise doch kennen sollte, diese aber selbst nicht primär anstrebt, wird man feststellen, dass viele Wege - und nicht zwangsläufig der erwartete - zu diesem Ort führen können.

Ich habe mich einmal getraut, mit so einem zu fahren. Beim Einsteigen waren nur noch zwei Plätze im Bus frei, nämlich direkt hinter dem Fahrer. Ich mache es mir bequem, habe die Option und wähle Fensterplatz, während der dem Gang zugewandte Platz zügig darauf ebenfalls vergeben wird. Der Bus wird recht schnell recht voll, sodass ein Laufen im Gang mit Passagier zu Passagier unmöglicher wird. Ich bemerke, dass um mich herum nur Frauen sitzen und mich anlächeln. Kann ich voll und ganz verstehen, bei meinem Äußeren. Dass sie aber eher lachen, weil sie mich auslachen, will erst in meinen Kopf hinein, als eine der Damen dezent auf die vielen "Ladies"-Kennzeichnungen über meinem und den ihrigen Sitzen deutet.

Morgens, zumindest an Werktagen, kann und darf ich glücklicherweise von sämtlichem Verkehrstumult abstrahieren. Die Firma stellt Busse zur Verfügung, die die Mitarbeiter quasi von zuhause abholen und in Massenware ankarren. Der Preis, den man hierfür bezahlen muss, ist Rs. 800 pro Monat, sowie 7 Uhr jeden Tag. In der goldenen Morgenstund ist es nämlich noch am realistischsten, kurze Strecken in mittellanger Zeit zurückzulegen.

Ich bin interessiert, welchen von den vielen Bussen ich denn nehmen sollte, um unkompliziertst möglich diesen Umstand in meinen Biorhythmus integrieren zu können. Der zuständige Mitarbeiter zeigt mir die Routen der insgesamt fast 50 Busse. "Petrol Bunk" -> "Police Station" -> "Police Station" -> "Police Station" -> "Petrol Bunk", so sind dort die meisten Routen (die Haltestellen allerdings in unterschiedlichen Reihenfolgen) aufgeführt. Wie in To Cheat behandelt, sind das Landmarks, mithilfe derer man sich letztendlich orientieren muss. Ich vertraue auf das Wort des Mitarbeiters, der mich in erster Linie schnell wieder loswerden zu wollen scheint, und steige noch am selben Abend in Linie "#41" ein. Den Hinweis "second Petrol Bunk" behalte ich im Hinterkopf.

Ich frage in diesem Bus "#41" die Dame vor mir (ich habe auf, unter und über meinem Sitz ausreichend lange nach "Ladies"-Andeutungen gesucht), ob sie mich nicht an der zweiten Tankstelle darauf hinweisen kann, dass wir uns zu diesem Zeitpunkt an der zweiten Tankstelle befinden werden. Sie ist an meinem absoluten Zielort interessiert und zweifelt, ob der Bus "#41" wirklich der meiner Wahl sein sollte. Ihre Bedenken werden an die wiederum eine weitere Reihe davor sitzende Passagierin weitergeleitet, welche diese Kette bis vorn angekommen weiterführt. Irgendwann spricht jeder, und zwar dermaßen gleichzeitig und widersprechend, dass ich nichts mehr verstehe. Die Diskussion wird abrupt beendet, als mir plötzlich "#40" ans Herz gelegt wird. Da kein ernsthafter Widerspruch erfolgt, steige ich in "#40" um.

In "#40" stelle ich mich gleich sämtlichen Fahrzeuginsassen gleichzeitig vor, damit diese schon zu diskutieren anfangen können. Einer fühlt sich zumindest kompetent genug, dem Fahrer rechtzeitig "Stop!" an den Kopf zu werfen. Ich werde plötzlich irgendwo durch ein spontanes "Stop!" ausgesetzt, von wo mich mein Mitbewohner glücklicherweise mit dem Auto abholen kommen kann.

Am nächsten Morgen 7h stehe ich an der am Rückweg gemessenen zweiten Tankstelle und warte auf einen orangenen Bus, der den Namen meiner Firma wiedergibt und auf dem deutlich "#40" oder "#41" zu erkennen ist. Ich erinnere mich, dass meine Kollegin am Tag zuvor das Wort "orange" im Zusammenhang mit unseren Bussen verwendet hat und ich bin mir sicher, dass der Bus irgendwie orange aussah. Idiotensicher. Um 8h denke ich, dass der Bus, der hauptsächlich weiß war, in keinster Form auf meine Firma hingedeutet hat und sich abstrakt "B-12" nannte, doch derjenige gewesen sein könnte, den ich hätte nehmen sollen.

Am Abend wiederum (am Morgen bin ich nicht drum herumgekommen, eine Rikscha zur Arbeit zu nehmen und dafür den 1,5 fachen Meterpreis hinzublättern) stelle ich bei genauerer Betrachtung der Busse fest, dass diese beim auf-mich-Zukommen von vorn weiß, so wie man sie aber abends beim Einsteigen sieht, von der Seite, orange sind. Ich frage also nochmal schnell den zuständigen Mitarbeiter, warum denn nun "B-12" und nicht "#41" oder "#40". Die Antwort, ganz einfach, die Busse fahren morgens und abends völlig unterschiedliche Routen. Sollte ich einmal einen Bus am späten Abend nehmen müssen, wäre dies übrigens schlichtweg "29".

Mir wird geraten, im Bus lieber nicht hinten, sondern vorne zu sitzen. Für mich gibt es dafür keinen Grund, bis ich ihn nicht selbst spüre. Da in Indien generell Geschwindigkeitsbegrenzungen existieren, die Möglichkeiten, diese zu kontrollieren aber sehr eingeschränkt sind, werden auf sämtlichen Straßen einfach der Karosserie gegenüber fiese "Humps" aufgeschüttet. Die Bodenwellen zwingen einen zum Bremsen oder bestrafen nicht nur Hardware, sondern auch Reisekomfort. Im Bus läuft das so: dort wird gebremst und sobald der Fahrer das Gefühl empfindet, die Bodenwelle hinter sich gelassen zu haben, wird wieder beschleunigt. Da dann aber erst ca. 20% des Busses das Gefühl teilen durften, wird es für die, die in den letzten 20% sitzen dafür umso intensiver.


Ich hoffe die Geduld des treuen Lesers war beim Lesen dieses Artikels ebenso ausdauernd wie die, mich in diesem System zurechtzufinden.

2 Kommentare:

  1. Vielleicht solltest du mal drüber nachdenken, ob du deine Berichte nicht mal in einer Kolumne oder einem späteren Sammelband ("India for Dummies oda so) herausgeben möchtest. ;)

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  2. danke für das hinzufügen der neuen einstellung so dass auch ich ab und an mal ein paar wörter hier lassen kann. ich hab mich so über deinen anruf an meinem geburtstag gefreut, dass ich am nächsten tag die geschichten gleich meiner mutti erzählt hab und die sehr lachen musste.
    freu mcih jeden tag über eine kleine neue indische lektüre :)
    hoffe es geht dir gut. grüßle die mora

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