Samstag, 17. April 2010

Bollywood

Ich habe mir seit Beginn meines Indienaufenthaltes mittlerweile schon den ein oder anderen Bollywood Film angesehen, selbstverständlich nicht zuletzt vor dem Hintergrund, mehr über den Schwarm meiner Jugend, Shahrukh Khan, zu erfahren. Auf dem Weg durch filmische Ruinen begegne ich vor allem dessen frühen Werken. Shahrukh war in seinen early days, noch bevor er zum konstant-warmherzigen Liebhaber schöner Mit-Hauptrollen wurde, mehr böse als gut. So spielte er beispielsweise 1993 im Film "Baazigar" den kaltblütigen Rächer seiner Familie, der auch nicht davor zurückschreckt, unschuldige Frauen umzubringen. Ich bin trotz allem überrascht von der Sehenswürdigkeit des Films, bin gleichermaßen angetan und überwältigt. Es ist geradezu erstaunlich, wie mit unnahbar wenig Liebe zum Detail derart viel Emotion geschaffen wird. Auch die (für Bollywood gänzlich unverzichtbaren) Songs wollen einfach nicht mehr aus dem Kopf. Hier eine kleine Kostprobe meines aktuellen Lieblingsfilmes:



Stolz, der hiesigen Kultur somit wieder ein Stück näher gekommen zu sein, verkünde ich unter meinen Kollegen einige Zitate des Films, selbstverständlich in Hindi. बाज़ीगर में बाज़ीगर दीवालों का में दिलबर ("Magician, a magician I am. I am the most charming of all lovers!"). Alle sind sowohl ob meines Interesses als auch meiner neuerworbenen Sprachfähigkeiten - wenn auch weniger ob der konkreten Aussprache - begeistert. Meine Kollegin rät, auf den Spuren Shahrukh Khans auf keinen Fall den Film "Dilwale Dulhania Le Jayenge" (aus vereinfachenden Gründen fortan abgekürzt als DDLJ) zu missen.

Ich besorge mir also diesen Film, DDLJ, scheitere aber zunächst an dem Umstand, nicht genügend Kondition für einen Marathon wie diesen mitzubringen. Ich schlafe schon nach kurzer Zeit ein und bin weit entfernt vom Ende, das nach dem Anfang knappe vier Stunden auf sich warten lässt. Am nächsten Tag ziehe ich Rat von einem weiteren Kollegen hinzu und frage diesen, ob er denn in seinem Leben schon vier Stunden für diesen Film gefunden habe.

"Jaja, mein Mitbewohner hat schon mich schon 3-4 Mal in den Film geschleppt." Oh, es geht also nicht, wie ich ursprünglich angenommen hatte, um Zeitdimensionen von vier Stunden, nein, es kommt auch noch ein Multiplikatives hinzu. In Mumbai gibt es, so lasse ich mir weiter sagen, ein Kino, das DDLJ seit Filmstart ununterbrochen ausstrahlt. Das ist recht eindrücklich, wenn man bedenkt, dass die Erstaufführung mittlerweile 15 Jahre zurück liegt. Noch verblüffender dürfte aber wohl die Tatsache sein, dass DDLJ überhaupt der einzige Film ist, der in diesem Kino gezeigt wird.

Sonntag, 11. April 2010

Life is...

"Life is like Heaven when you have a German Car, Chinese Food, an American Salary and an Indian Wife.

Life is like Hell when you have a Chinese Car, German Food, an American Wife and an Indian Salary."

Montag, 5. April 2010

Taj


Diese drei Buchstaben sollten vermutlich ausreichen, um DAS Wahrzeichen Indiens schlechthin zu beschreiben. Das Taj Mahal ist Weltkulturerbe, seit neuestem sogar offizielles Weltwunder und Touristenmagnet Nummer 1. Von den täglich circa 10.000 Besuchern sind aber lange nicht alles Überseetouristen, insbesondere jungverheiratete indische Pärchen bereisen das Mausoleum und erhoffen sich dadurch lebenslanges Lieben. Der generell penetrant wirkende, omnipräsente Fußgeruch verleiht der Festigung der Zweisamkeit ganz bestimmt spirituellen Nachdruck, im und um das Taj wird nämlich ausschließlich barfuß gelaufen.

Der Weg zum "Kronen-Palast" gestaltet sich komplizierter als gedacht. Sämtliches Anreisevehikel darf sich diesem nur bis in die Ferne nähern, lokal ist man auf öffentliche (und offene) Verkehrsmittel angewiesen. Bereits hier macht sich bemerkbar, dass der ein oder andere die Gunst des Ortes nutzen will, um die Schaulustigen in sein Geschäft zu verwickeln.


Hat man das Kamel geparkt, darf man sich weiterführend animalisch mit der ellenlangen Schlange beschäftigen. Erzähltechnisch ist diese wohl ebenso öde wie das lange Anstehen in der prallen Sonne. Nach Überwältigen des Reptils und daraufhin der zweiten Hürde des verhältnismäßig (wahnsinnig) hohen Eintrittspreises, folgt auch schon gleich die nächste: eine mit allen Möglichkeiten der Neuzeit ausgestattete Sicherheitskontrolle.

Meine M hat aus Vorsichtsgründen, um auf Nummer sicher zu gehen, ein Pfefferspray aus Deutschland importiert, sodass, im Fall der Fälle, eine Selbstverteidigung nicht ausgeschlossen werden kann. Um auf Nummer vernünftig zu gehen, bitte ich meine M, das Pfefferspray doch lieber mir anzuvertrauen, da, im Fall der Fälle, womöglich unter Nervosität, das Pfefferspray auch mal schnell ins eigene Auge gesprüht werden kann. Dieser Umstand soll mir bei der Sicherheitskontrolle vor dem Taj zum Verhängnis werden.

Der von Flughäfen bekannte, zu passierende Türrahmen, der auf metallische Gegenstände anspringt, springt an. Meine Knie werden weicher, ich bin mir meines bevorstehenden Übels bewusst. Ich gehe, vom allgemeinen Menschenfluss getrieben, Schritt für Schritt auf den Security-Beamten zu, der mich aufgrund des positiven Metalltests bestimmt genauer ins Visier zu nehmen gedenkt. Ich setze ein treudoofes Touristenlächeln auf, um von meiner Angst vor indischem Gefängnis abzulenken. Es nutzt nichts. Den Beamten, dessen Profession es ist, tagtäglich 10.000 Touristen auseinanderzunehmen und auf den Zahn zu fühlen, lässt nichts kalt. Er zieht das Pfefferspray aus meiner Unterhose und verlangt eine Erklärung. Gott sei Dank habe ich eine passende parat.

Ich huste, möglichst auf Lunge, halte das Pfefferspray vor meinen Mund und keuche "Asthma, Asthma". Der Beamte schaltet vom einen Moment auf den anderen um, von professionell kalt auf vertrauend herzlich, und entschuldigt sich vielmals für seinen "falschen" Verdacht. (Anmerkung des Erzählers: Ich bin mir sicher, Pfefferspray kann tatsächlich Asthma verursachen.)

Ein Touristenführer, der uns Touristen dazu überreden kann, von ihm geführt zu werden, offenbart neue Hintergründe über das Taj, die mich erneut in Angst und Schrecken versetzen. Der Legende nach wurde der Architekt und Erbauer des Weltwunders, nach Fertigstellung desselbigen, vom tonangebenden Großmogul zu einer öffentlichen Ehrung einberufen. Während dieser wurde ihm aber nicht etwa, wie offensichtlich erwartet, ein Orden oder eine Tafel Schokolade überreicht, nein, diese wurde genutzt, um ihm beide Hände abzuhacken. Sein Werk sollte auf immer einzigartig und er selbst als Krüppel eingesperrt bleiben.

Wenn ich nun in Indien möglicherweise eine weltwunderliche Software entwickle, werden mir dann etwa alle zehn Finger abgehackt???

Welcome Back

Entgegen den Erwartungen vieler treuer Wegbegleiter sind wir, meine M und ich, tatsächlich wieder in einem (Anmerkung des Erzählers: um genauer zu sein, in zwei) Stück von unserem unvergesslichen Abenteuer heimgekehrt. Ich habe mich - um ganz ehrlich zu sein - lange mit dem Gedanken an lyrischen Freitod auseinandergesetzt und wollte gar Tatsachen heucheln wie "ich habe mich jetzt [selbst] gefunden und brauche keine Ausflüge in die Fantasiewelt mehr", doch nach nunmehr über 1000 Zusendungen von begeisterten Lesern habe ich wieder Halt im Leben der Geschichten gefunden.

Während unserer Reise (und der damit verbundenen lyrischen Abstinenz) haben wir nicht nur den Taj Mahal besichtigt, sondern auch eine PUMA-Turnschuhproduktionsstätte. Wir haben uns von einem Astrologen unsere Zukunft offenbaren lassen, in einem antiken Briefmarkenalbum unterschrieben, Waffen geschmuggelt, die Himalayan-Queen bestiegen, von kleinen Kindern Hindi gelernt und konnten für umgerechnet ca. 30 Minuten Ruhm und Ehre als Popstars genießen.

Um nun nicht noch mehr Zeit mit bloßen Andeutungen zu verschwenden, setze ich mich gleich an Ort und Stelle auf meinen Allerwertesten und fange an zu schreiben, um anschließend gemeinsam mit der Lehrerin und den Kids über meine bunten Geschichten lachen zu können.