Montag, 5. April 2010

Taj


Diese drei Buchstaben sollten vermutlich ausreichen, um DAS Wahrzeichen Indiens schlechthin zu beschreiben. Das Taj Mahal ist Weltkulturerbe, seit neuestem sogar offizielles Weltwunder und Touristenmagnet Nummer 1. Von den täglich circa 10.000 Besuchern sind aber lange nicht alles Überseetouristen, insbesondere jungverheiratete indische Pärchen bereisen das Mausoleum und erhoffen sich dadurch lebenslanges Lieben. Der generell penetrant wirkende, omnipräsente Fußgeruch verleiht der Festigung der Zweisamkeit ganz bestimmt spirituellen Nachdruck, im und um das Taj wird nämlich ausschließlich barfuß gelaufen.

Der Weg zum "Kronen-Palast" gestaltet sich komplizierter als gedacht. Sämtliches Anreisevehikel darf sich diesem nur bis in die Ferne nähern, lokal ist man auf öffentliche (und offene) Verkehrsmittel angewiesen. Bereits hier macht sich bemerkbar, dass der ein oder andere die Gunst des Ortes nutzen will, um die Schaulustigen in sein Geschäft zu verwickeln.


Hat man das Kamel geparkt, darf man sich weiterführend animalisch mit der ellenlangen Schlange beschäftigen. Erzähltechnisch ist diese wohl ebenso öde wie das lange Anstehen in der prallen Sonne. Nach Überwältigen des Reptils und daraufhin der zweiten Hürde des verhältnismäßig (wahnsinnig) hohen Eintrittspreises, folgt auch schon gleich die nächste: eine mit allen Möglichkeiten der Neuzeit ausgestattete Sicherheitskontrolle.

Meine M hat aus Vorsichtsgründen, um auf Nummer sicher zu gehen, ein Pfefferspray aus Deutschland importiert, sodass, im Fall der Fälle, eine Selbstverteidigung nicht ausgeschlossen werden kann. Um auf Nummer vernünftig zu gehen, bitte ich meine M, das Pfefferspray doch lieber mir anzuvertrauen, da, im Fall der Fälle, womöglich unter Nervosität, das Pfefferspray auch mal schnell ins eigene Auge gesprüht werden kann. Dieser Umstand soll mir bei der Sicherheitskontrolle vor dem Taj zum Verhängnis werden.

Der von Flughäfen bekannte, zu passierende Türrahmen, der auf metallische Gegenstände anspringt, springt an. Meine Knie werden weicher, ich bin mir meines bevorstehenden Übels bewusst. Ich gehe, vom allgemeinen Menschenfluss getrieben, Schritt für Schritt auf den Security-Beamten zu, der mich aufgrund des positiven Metalltests bestimmt genauer ins Visier zu nehmen gedenkt. Ich setze ein treudoofes Touristenlächeln auf, um von meiner Angst vor indischem Gefängnis abzulenken. Es nutzt nichts. Den Beamten, dessen Profession es ist, tagtäglich 10.000 Touristen auseinanderzunehmen und auf den Zahn zu fühlen, lässt nichts kalt. Er zieht das Pfefferspray aus meiner Unterhose und verlangt eine Erklärung. Gott sei Dank habe ich eine passende parat.

Ich huste, möglichst auf Lunge, halte das Pfefferspray vor meinen Mund und keuche "Asthma, Asthma". Der Beamte schaltet vom einen Moment auf den anderen um, von professionell kalt auf vertrauend herzlich, und entschuldigt sich vielmals für seinen "falschen" Verdacht. (Anmerkung des Erzählers: Ich bin mir sicher, Pfefferspray kann tatsächlich Asthma verursachen.)

Ein Touristenführer, der uns Touristen dazu überreden kann, von ihm geführt zu werden, offenbart neue Hintergründe über das Taj, die mich erneut in Angst und Schrecken versetzen. Der Legende nach wurde der Architekt und Erbauer des Weltwunders, nach Fertigstellung desselbigen, vom tonangebenden Großmogul zu einer öffentlichen Ehrung einberufen. Während dieser wurde ihm aber nicht etwa, wie offensichtlich erwartet, ein Orden oder eine Tafel Schokolade überreicht, nein, diese wurde genutzt, um ihm beide Hände abzuhacken. Sein Werk sollte auf immer einzigartig und er selbst als Krüppel eingesperrt bleiben.

Wenn ich nun in Indien möglicherweise eine weltwunderliche Software entwickle, werden mir dann etwa alle zehn Finger abgehackt???

1 Kommentar:

  1. M fügt an, sie habe das Pfefferspray auf Rat von "Mr.Marks" mitgeführt, der sich mehr Selbstvertrauen gegenüber Straßenhunden wünschte. Da M allerdings weiß, wie man es "benutzerfreundlich" betätigt, sollte M es doch gleich an Mr.M. abtreten, der im Falle irgendeiner potentiellen Bedrohung, es sich netter Weise umgehend selbst ins Auge sprühe und dann ohne M auf die nächste Herrentoilette verschwünde.
    Der Angreifer werde also von Markus perfekt abgelengt und M dürfe einen sonnigen Nachmittag lang warten, bis der Herr vom Topf zurückkehrt.

    Gut, liebe Kinder, das war also eure erste Lektion in Selbstverteidigung. Die fünf Mark schmeißt ihr bitte in das "selbstbewusste Sparschwein" am Eingang.

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